Saturday, May 20, 2006

Hier bin ich Fan, hier darf ich’s sein

Free Image Hosting at www.ImageShack.usSource: echo-online.de

This is a review of FC United board member Dr Adam Brown's presentation of his paper as part of a public series of lectures at Technische Universität Darmstadt called "Fußball als Tor zur Gesellschaft" ("Football as gate to society"). For abstract see this entry. The web-site for the lecture series can be found here: stadiumworlds.de

Altavista actually makes sense of this when trying to translate it - sort of.


Fußball: Kulturwissenschaftler Adam Brown berichtet über Fan-Proteste gegen den Verkauf von Manchester United

Nur einmal angenommen: Alle Aktien des börsennotierten Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund würden von einem arabischen Ölscheich aufgekauft und der gesamte Klub nach dem Prinzip Gewinnmaximierung zu einem Fußballbetrieb umgebaut: billige Stehplätze abgeschafft, Eintrittspreise vervierfacht, beliebte, aber teure Spieler entlassen. Angenommen, ein Teil der Fans würde nach heftigen, aber vergeblichen Protesten einen eigenen Verein gründen, den SV Dortmund, fünftklassig, aber dafür mit niedrigen Eintrittspreisen und lebendiger Fankultur.

Dass ein solches Szenario denkbar ist, beweist das Beispiel des teuersten Fußball-Vereins der Welt: Manchester United. Im Rahmen der Ringvorlesung „Stadionwelten“ der TU Darmstadt erzählte Adam Brown von der Manchester Metropolitan University jetzt von dem Protest der Manchester-Fans gegen die Kommerzialisierung ihres Vereins.

„Letztlich geht es um die Frage: Wem gehört der Fußball?“, stellte Brown, lange Zeit bekennender „ManU-Fan“, zu Beginn seines Vortrages fest. Seit 1991 ist Manchester United eine Aktiengesellschaft. Die Auswirkungen des Börsengangs bekamen die Fans schnell zu spüren: In sieben Jahren wurden die Eintrittspreise um 350 Prozent erhöht, die beliebten Stehplätze abgeschafft und die TV-Rechte exklusiv an einen Privatsender verkauft. Shareholder-Value (alle zum Wohl der Aktionäre) hieß das neue Motto des Klubs. Für die Fans bedeutete die Kommerzstrategie den Ausverkauf ihrer Traditionen. Der Wutpegel stieg.

Free Image Hosting at www.ImageShack.usDie Proteste eskalierten im Sommer 2005, als der amerikanische Milliardär Glazer den 1902 gegründeten Traditionsverein aufkaufte mit dem Ziel, den Klub zu seinem Goldesel zu machen. Die Fans wehrten sich mit einer „Not-for-sale“-Kampagne gegen die drohende Ausschlachtung: Läden des Sponsors Nike wurden gestürmt, im Stadion baumelten an Stricken Puppen, die Milliardär Glazer symbolisierten. Bei der „Operation Havanna“ erstürmten verärgerte Anhänger während einer Partie das Spielfeld. Doch aller Aktionismus verhindert den Verkauf nicht. Dafür, so Brown, war die Front der Fans zu uneinig. Außerdem unterstützten die englische Regierung und der Fußball-Verband FA die Übernahme. Die Vereinsführung arrangierte sich mit Glazer.

Während ein Teil der Fans die neuen Verhältnisse achselzuckend akzeptierte, gründeten andere den FC United of Manchester, in dem sie das verwirklichen wollten, was für sie früher den Charme von Manchester United ausmachte. Einer dieser Fans war Adam Brown.

Begeistert beschreibt der Kulturwissenschaftler den neuen Klub als Ausweg aus der Kommerzialisierungsfalle, in die der Fußball seiner Meinung nach gerannt ist. Das neue United folgt der Devise „Our club, our rules“ (Unser Klub nach unseren Regeln), befindet sich vollständig im Besitz der Fans und lehnt Gewinnstreben ab. Trikotwerbung ist unerwünscht, billige Stehplätze selbstverständlich. Die Fanartikel passen in eine Holzbude. Laut Brown dominiert unter den etwa 3500 Mitgliedern, von denen viele einst für ManU schwärmten, ein „neues Gefühl der Freiheit und der Gemeinschaft“. Da tut es nichts, dass United neuntklassig ist.

Könnte so die Zukunft der europäischen, damit auch der deutschen Spitzenclubs aussehen? Wohl kaum. Aus Browns Worten geht klar hervor, dass das Projekt FC United of Manchester viel mit englischer Fantradition zu tun hat. Der Fußball auf dem europäischen Festland funktioniere nach anderen Regeln. Damit bleiben eine Spielvereinigung Bayern München oder ein FSV Schalke 04 in der Kreisklasse vorerst Hirngespinste.

Unter dem Titel „Stadionwelten“ lädt das Institut für Soziologie der TU Darmstadt jeden Mittwoch um 19 Uhr zu Vorträgen über die gesellschaftlichen Dimensionen des Fußballs. Veranstaltungsort: Hörsaal 36, Residenzschloss. Termine und Programm: www.stadiumworlds.de.

Andreas Bitsch
20.5.2006