Tuesday, May 16, 2006

jungeWelt: Sing, mei Sachse sing

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Source: jungeWelt
Altavista Translation here edit: this translation is quite fantastic and makes little sense

Aus den Unterklassen

Gabriele Damtew

Lok Leipzig vs. FC United of Manchester – die ursprüngliche Schnapsidee der Fans Matthias Löffler und John Marley ist durch ihren leidenschaftlichen Einsatz allen Widrigkeiten zum Trotz (dem ersten Zögern des FC wegen Loks Image und dem Veto der linken Fußballszene) am Wochenende wahr geworden.

Im Gästeblock begrüßen uns Garry, Toddy, Lisa und die anderen aus dem Zug wie alte Freunde. Sie haben den heißen Nachmittag mit deutschem Bier und typisch englischer Härte überlebt, während wir zum Interview bei der Mannschaft im Hotel waren.

Kurz vor Anpfiff überraschen die Lok-Spieler ihre 7000 Fans mit dem selbstgepinselten Spruchband »Gegen Gewalt und Rassismus«. Gut so. Das Spiel beginnt rasant, schon nach einer Minute lochen die Nordengländer ein. Ein Minnegesang nach dem anderen wird angestimmt, über 300 fallen mit ein. »Sing, mei Sachse sing!« möchte man schreien, denn der Lok-Anhang kontert nur mit Einzeilern, die Spieler immerhin mit dem Ausgleich. Die kurze betretene Stille nutze ich für Fragen zum Selbstverständnis eines Fußballrebellen. Zum einsetzenden Chorus »Anarchy in the UK« der Sex Pistols schreit mir Hubert (47) im Takt ins Ohr: »It’s punk football! In der Punk-Ära haben wir uns den Rock’n’Roll zurückgeholt, jetzt den Fußball. Er gehört wieder uns. Sie haben nicht geglaubt, daß wir Proleten das schaffen.« Von den Lok-Fans weiß er das wenige aus der Zeitung und ist nicht zuletzt wegen des Polizeiaufgebots verunsichert, ob man sie als England-Fans einstuft, sie sozusagen testen möchte. Lieber ein Bier mit ihnen trinken.

Da sich keiner was schenkt, das Tempo hoch ist und nur auf Angriff gespielt wird, kommt nach Stimmung auf den Rängen jetzt Begeisterung auf. Tore fallen reichlich, einige Lok-Spieler zu leicht. Am Ende ein für alle (bis auf die Trainer) harmonisches 4:4. Aber nichts da mit freundschaftlichem Fake. Zwei Elfmeter, zwei gelbe Karten – die harten Zweikämpfe sprechen eine deutliche Sprache. Gerade deshalb das gute Gefühl, eine grundehrliche Klassepartie miterlebt zu haben, Rückspiel im September. Schade, daß den kleinen Klubs für einen alternativen Europacup einfach die Mittel fehlen. Verlierer des Abends ist eindeutig die Polizei, weil niemand ihr den Gefallen tut, für die WM üben zu dürfen.

Fans’ Match am nächsten Tag. Wer hier agiert, ist nach langem Feiern entweder Abstinenzler oder ein Held. Da zu wenig Lokfans vor Ort sind, schlüpfen Trainer Karl Marginson und andere Insulaner stehenden Fußes ins Blau-Gelbe. Ohne Schiri geht auch hier nichts, besonders wenn’s ein Engländer mit Lok-Schal und vollem Biertablett ist. Es wird gezaubert auf dem Rasen: »Indirekte« Elfmeter werden kreiert und direkte mit wedelnden Euro-Scheinen eingefordert, dazu perfekt gemimt wie in der Serie A. Dann Spielabbruch wegen Hunger und Durst. Zum Abschied herzt mich FC-Kapitän Dave mit Zwei-Tage-Bart so sehr, daß mir Stunden später noch die Wangen brennen. Unvergeßlich auch die Gesänge der Red Army, hab’ sie jetzt noch im Ohr.
*Ausführliche Interviews folgen in der WM-Sonderausgabe der jW am 9.6.)